Das Ausweichcamp in Keyenberg wurde Anfang Februar 2024 abgebaut. Gerichtsverfahren gegen Aktivist*innen aus Lützerath können hier nachverfolgt werden. Wir warten noch weiterhin auf die Verurteilung der Regierungen und RWE: Diese haben Gesetze gebrochen und Grenzen überschritten, die weltweit Menschenleben gefährden.
Einen genauen zeitlichen Ablauf der Räumung findet ihr auf der Seite „Zeitstrahl“.
Hier findet ihr eine Präsentation, die kurz vor der Räumung in ganz Deutschland gehalten wurde.
Einmal am Tag haben wir euch live aus unserem Studio über die Räumung berichtet! Das waren Überblicke über die tagesaktuellen Geschehnisse und Live-Schalten zu den Besetzer*innen in Lützerath. Außerdem beantworteten wir eure Fragen rund um Lützi und sprachen über Themen wie Klimagerechtigkeit, Kapitalismus und Polizeigewalt.
Alle Sendungen findet ihr in unserer Youtube-Playlist.
Studien:
(1) https://coaltransitions.org/publications/gasknappheit-auswirkungen-auf-die-auslastung-der-braunkohlekraftwerke-und-den-erhalt-von-lutzerath/
(2) https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/221128_EBC_Aurora_Kohleausstiegspfad_und_Emissionen_as_sent.pdNf
(3) https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/2024-03-24-Prognos-Kohleverstromung-und–veredelung-web.pdf
Kurz nach der Räumung wurde diese Rede geschrieben.
Dieser Text ist geschrieben aus der Sicht einer Person, eine derjenigen, die Lützerath bis zuletzt bewohnt haben, bis die Polizei uns auf das Geheiß der Grünen Partei gewaltsam von dort vertrieben hat, um die Profite von RWE abzusichern. Aus den letzten Tagen gibt es unendlich viele Geschichten zu erzählen und ich teile nur einige wenige. Das Bild, das sich aus diesen Geschichten ergibt, ist sehr deutlich: die Polizei ist überstürzt und gewaltsam vorgegangen und hat an unzähligen Stellen Menschenleben aufs Spiel gesetzt, ganz zu schweigen vom Leben der Tiere und Pflanzen, das einfach brachial zerstört und beendet wurde. Niemals werde ich die Bilder der panischen Eichhörnchen vergessen, die sich anders als wir Menschen nicht ausgesucht haben, einen widerständigen Ort an der Kante der Zerstörung zu bewohnen und die die Räumung wahrscheinlich nicht überleben werden. Die sinnlose Zerstörung der Bausubstanz aus Holz und Stein, in die so viel unserer Liebe für den Ort geflossen ist, ist nicht in der Lage, die dichten und intensiven Erinnerungen zu löschen, die tausende unterschiedlichste Menschen damit verbinden.
Entscheidung für Gewalt
Während der Räumung des Wäldchens wurde das Abspannungsseil eines Baumhauses, das teilweise auf Stelzen stand, an der einen Seite zerschnitten, während auf der anderen Seite ein Mensch mit seinem Gewicht in der gegenüberliegenden Abspannung hing. Daraufhin ist das Baumhaus umgekippt und es war pures Glück, dass der andere Mensch, der sich zu diesem Zeitpunkt im Baumhaus befand, nicht mit dem Baumhaus abgestürzt ist. Aus einer anderen Stelzenhütte wurden Menschen ungesichert aus knapp 3m Höhe einfach runter geschubst, weil den Einsatzkräften die Sicherung zu umständlich war. Mehrfach haben sich Harvester an den Stämmen der Pappeln zu schaffen gemacht, während Menschen in Traversen hingen, die an diesen Stämmen befestigt waren. Andere, die sich in den Kronen der Bäume der Räumung entgegengestellt haben, wurden bei Einbruch der Dunkelheit dort zurück gelassen, nachdem jede Traverse und jedes Kletterseil zerschnitten wurde, über das die Menschen sich von dort hätten weg bewegen können.
Es ist nur den außergewöhnlichen Fähigkeit der dort verbliebenen Menschen zu verdanken, auch in dieser Situation noch rettende Strukturen aufbauen zu können, dass nicht am Ende Menschen, unbegleitet von der Presse, nachts noch aus Entkräftung abgestürzt sind. Alle diese Geschichten sind Beispiele dafür, was uns Aktivist*innen von den Einsatzkräften immer wieder auch ins Gesicht gesagt wurde: dass sie uns absichtlich Angst um unser Leben einjagen wollen. Alleine mir persönlich wurde das von mindestens 5 Freund*innen berichtet und selbst so gesagt. Die Öffentlichkeit erfährt davon selbstverständlich nichts, da es Risse in das Bild der angeblich besonnenen und deeskalierenden Einsatztaktik treiben würde und was zählt shon die Aussage einer vermummten, aufgebrachten Aktivistin gegenüber der Pressestelle der Polizei.
Selbst für die Cops ist es möglich, sich selbst zu erzählen, sie würden angeblich Leben retten, während sie im nächsten Moment die Traverse durchschneiden, an denen unser Leben hängt. Zu dem polizeilichen Gewaltexzess bei der Großdemo am 14. wurde schon an anderer Stelle viel gesagt. Fest steht: die Polizei lügt, knüppelt und setzt Menschenleben aufs Spiel. Dass Dirk Weinspach immer noch damit durchkommt, der Einsatz sei besonnen oder deeskalierend, ist ein Skandal. Tausende Beamt*innen haben sich aktiv dazu entschieden, bei dem Einsatz den Befehl nicht zu verweigern oder blau zu machen, und obwohl sie damit zeigen, dass sie nicht mehr als gut bezahlte Schlägertruppen sind, gibt es gesellschaftlich immer noch eine Überidentifikation mit ihnen, als stünde ihr Wort über dem von normalen Menschen.
– Sie haben Angst vor uns, das heißt, es ist kein Ding der Unmöglichkeit, der staatlichen Übermacht und der unmenschlichen Profitlogik des Kapitalismus etwas entgegen zu setzen. Diese Botschaft ist die wichtigste von allen!
Wenn wir uns zusammentun, uns im Widerstand gegen dieses System verbünden und aufeinander Acht geben, dann können wir dieses System ins Wanken bringen! Wir lernen das nicht in der Schule, wir lesen es nur selten in der Zeitung, aber es gibt überall die Risse und Lücken der sozialen Bewegung, der man sich anschließen kann, die man mit aufbauen kann und die seit Jahrhunderten die einzige treibende Kraft für gesellschaftlichen Wandel darstellt. Denn der Kampf ist noch lange nicht vorbei, weder um den Kohleausstieg, aber auch nicht der um ein besseres Leben für alle.
Lützerath hat geblüht, die Welt konnte für einen Moment die Wirksamkeit eines Kampfes und auch die hässliche Logik des Kapitalismus in Aktion bezeugen. Jetzt sind wir die Samen, die ausschwärmen, um den Kampf um ein besseres Leben in andere Böden tragen und neue Blüten hervorbringen. Irgendwann werden wir so stark sein, dass wir unsere Räume auch halten können.
Deshalb: geht raus, nehmt die Erfahrungen von Lützerath mit an eure Orte und organisiert euch! Sei es am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder an widerständigen Orten! Denn nur als kämpfende Bewegung, haben wir eine Chance auf Klimagerechtigkeit und ein besseres Leben für alle! Wir haben eine Welt zu gewinnen!