1,5° sind nicht verhandelbar
Gutachten gibt es viele rund um den Tagebau Garzweiler, manchmal werden sie auch ein Jahr unter Verschluss gehalten, aber das ist eine andere Geschichte… Jetzt gibt es ein neues Gutachten, durchgeführt von Wissenschaftler*Innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, welches in zweierlei Hinsicht erfreulich ist:
1. Es bezieht sich (im Gegensatz zu vorherigen Untersuchungen) spezifisch auf das 1,5°-Ziel, welches für uns die Grenze darstellt, die nicht überschritten werden darf.
2. Es schließt Lützerath mit ein und weist darauf hin, dass Lützerath – sofern das 1,5°-Ziel verfolgt wird – nicht abgebaggert werden muss.
Das Gutachten betrachtet zunächst wie die bestehenden CO2-Restmengen aussehen, die innerhalb eines 1,5°-Pfades vertretbar sind, wie diese sich auf die verschiedenen Industrien verteilen und stellt am Ende dieser Überlegungen fest, dass verteilt auf die Tagebaue Hambach und Garzweiler noch maximal 200 Mio. Tonnen CO2 freigesetzt werden dürfen, um das 1,5°-Ziel mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu erfüllen. Insgesamt befinden sich bei entsprechender Ausgestaltung der Tagebaukante und bei Erhalt der 6 Dörfer bei Garzweiler zwischen den beiden Tagebauen noch etwa 230 Mio Tonnen in der Erde.
RWE plant hingegen noch 780 Mio. Tonnen Braunkohle aus der Erde zu holen und zu verfeuern, also das vierfache das nach dem Gutachten möglich wäre oder gar das sechsfache wenn sich nur auf den Tagebau Garzweiler bezogen wird.
Anschließend bezieht sich das Gutachten auf die sich verändernden Rahmenbedingungen. Es weist auf steigende CO2-Bepreisung, niedrige Gaspreise,verringerten Verbrauch während der COVID19-Pandemie und auf eine bereits jetzt geringere Auslastung der Kraftwerke hin. Auch wird die voraussichtlich abnehmende Wirtschaftlichkeit der Braunkohle im Allgemeinen angesprochen.
Schließlich wird ein alternativer Ausstiegsplan im Rahmen des 1,5°-Ziels vorgeschlagen, nach dem die ineffizientesten Kraftwerke Ende 2022 abgeschaltet werden sollen, die weniger effizienten bis 2026 auf Teillast weiterlaufen und die effizientesten Kraftwerke dann Ende 2028 vom Netz gehen.
Ich habe das Gutachten vollständig gelesen und werde es im Folgenden bezogen auf das was wir als „Lützerath Lebt“ vertreten wollen reflektieren.
Auch wenn das Gutachten erfreulich ist, stellt der vorgeschlagene Weg noch nicht die ideale Lösung dar. Dafür gibt es mehrere Gründe:
1. Der Plan geht ausdrücklich davon aus, dass “größere Verantwortlichkeiten durch die höheren historischen Emissionen vernachlässigt” werden. Das bedeutet, dass es weiterhin hingenommen würde das andere (zumeist weniger privilegierte) Länder den durch uns erzeugten Schaden übernehmen müssten.
Dies steht unserer Ansicht nach den Anforderungen für eine gerechte Verteilung der verbliebenen Emissionsmengen entgegen und schließt die historische Verantwortungsübernahme (im Rahmen des entworfenen Ausstiegsplans) aus, wie es in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten nur zu üblich ist.
2. Der vorgeschlagene Pfad geht von einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus. Das ist zu wenig!
1,5° ist für uns die nicht verhandelbare Grenze. Bei 50% Wahrscheinlichkeit könnten 1,5° eingehalten werden, aber genauso gut auch überschritten werden. Wir würden uns nie in ein Flugzeug setzen, dass dass mit 50% Wahrscheinlichkeit abstürzt. Das ist ein Münzwurf! Aber die folgeden Generationen werden in ein solches gesetzt. Das ist jenseits von Wahnsinn!
Es ist ein ambitionierteres Vorgehen notwendig. Wir fragen uns – und die Macher*Innen der Studie – wie ein solches aussehen kann? Es muss sichergestellt sein, dass die durchschnittliche Erderwärmung 1,5° nicht überschreitet. Und dass sie, wenn möglich noch deutlich darunter bleibt, denn bereits jetzt sind dramatische Folgen sichtbar. Wir setzen uns ein für einen sofortigen Kohleausstieg. Die Kohle muss im Boden bleiben!
Hier der Link zum Gutachten.