„Das ist keine Ausnahme. Es wird nicht mehr besser.“

Das war das Fazit von Nico Freudsheim im RWE-Tribunal, welches am vergangenen Wochenende in Lützerath stattfand, zur Klimakrise. Das Tribunal befasste sich – vom 18. – 20.06.2021- mit verschiedenen Auswirkungen der Tätigkeiten RWEs und manches davon ist schon durchaus recht bekannt: Das (Zwangs-)Umsiedlungen stattfinden um Tagebaue auszuweiten wird heute wohl die Wenigsten überraschen und das Kohle die Klimakrise massiv anheizt werden auch die Meisten wissen. Doch was ist mit den gesundheitlichen Auswirkungen der Kohle”verarbeitung”, mit den Auswirkungen der Steinkohleimporte RWEs – beispielsweise für das Kraftwerk Datteln IV in NRW – auf das Leben und die Umwelt indigener Gruppen in Russland?

Dies alles waren Inhalte die im Tribunal Platz fanden und die wichtig sind um zu verstehen, warum der Protest gegen RWE so wichtig ist, denn was passiert – ob es sich nun um wiederkehrende Dürren und Starkregenereignisse oder eben die Ausbeutung indigener Gruppen handelt – ist keine Ausnahme und wenn wir nichts tun, wird definitiv nichts besser.

„Wer stellt sich schon gegen das Geld?“

Diese Frage stellte die erste Zeugin im Tribunal Elisabeth, bezogen auf die scheinbar unendlichen Mittel die RWE zur Verfügung hat um die Zerstörung der Natur und Dörfer voranzutreiben. Die Frage nach dem Einfluss des Geldes kam immer wieder auf wenn es um Umsiedlungen ging, so sagte Elisabeth wörtlich: „Wer zuerst verkauft, erhält den besten Preis.“ Sie stellte heraus, dass Geld dort investiert wird wo Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet würde, was sich mit den Aussagen von Willhelm Hoffmann deckt. Er berichtete von seinen Erfahrungen am Tagebau Hambach und fügte hinzu, dass RWE 20% der Summe einbehält bis der Umzug vollzogen sei.

Ab von dem finanziellen Aspekt waren die psychischen und sozialen Auswirkungen auf die Betroffenen stark spürbar. Elisabeth berichtete wie es zu einer Spaltung innerhalb ihrer Familie gekommen sei, Petra aus Immerath berichtete, dass sie „das nicht aushalten [konnten] diese Unsicherheit, das ständige hin und her“, sowie von den Alpträumen die sie damals hatte und die heute ihre Tochter Irina hat, die in Lützerath lebt. Eckhard – der letzte Landwirt in Lützerath der noch nicht an RWE verkauft hat – berichtete von seiner Klage gegen die Zwangsenteignung durch RWE. Er sagte das RWE immer wieder Druck aufbaue, die Menschen mürbe mache, eben „wie ein Schaufelradbagger der sich immer weiter dreht.“

„Es ist ein Verbrechen Filter einzubauen die alles noch schlimmer machen.“

, sagte Kinderarzt Christian Döring. Er bezog sich damit auf die in RWE-Kraftwerken genutzten Filteranlagen die zwar – unter Einsatz von Ammoniak – die Ausscheidung größerer Feinstaubpartikel reduzieren, aber den Ausstoß ultrafeiner Partikel (UFP) erhöhen. Die UFP entstehen bei der Kohleverbrennung, nehmen Schadstoffe (PAK) auf und dringen durch ihre geringere Größe bis ins Blut vor. Sie richten somit einen größeren Schaden an als größere Feinstaubpartikel welche die Poren der Lungenbläschen nicht durchtreten können. Wenn die belasteten Partikel eingeatmet werden führt dies zu Entzündungen in der Lunge, einer Erhärtung der Gefäße und schließlich zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko. Bei Schwangeren führt eine Belastung durch PAK dazu, dass die DNA des Babys diese aufnimmt, sich verändert. Studien mit Kindern haben gezeigt, dass diese Belastung als Langzeitfolge eine verringerte Koordinationsfähigkeit nach sich zieht, sowie eine geringere Intelligenz bedingt. Die Effekte werden von Generation zu Generation weitergegeben. Ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sei somit schon vor der Geburt verletzt worden, sagt Döring. „Kinder können nicht einstehen für ihr Recht. Das müssen wir tun.“

Ein weiterer Beitrag zum Thema Gesundheit kam von Jörg Obergefäll der die im Tagebau entstehenden giftigen Stoffe (Quecksilber, Cadmium, Arsen, Blei, Zink, Schwefeldioxid, Stickoxiden und potentiell radioaktive Elemente die in Umweltverträglichkeitsprüfungen aber nicht überprüft werden) nannte und aufzeigte inwiefern diese beispielsweise mit der erhöhten Anzahl an Krebserkrankungen in Tagebaugebieten zusammenhängen. Er betonte desweiteren, dass es durch das Aufbrechen historisch gewachsener Trennschichten zu einer Wasserdurchmischung käme und somit Schadstoffe auch ins Trinkwasser gerieten. Er erwähnte schließlich – wie auch Döring – die durch Kohleverbrennung erhöhte Zahl der Todesfälle.

„Do you know what pain is? What coal is? These are synonyms for me.“

Anke und Tjan von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ nahmen am RWE-Tribunal teil und teilten die Geschichte von Yana Tannagasheva. Sie gehört der Gruppe der Schoren in Kuzbass an, musste aber 2018 aufgrund ihres Protestes gegen die Steinkohleförderung mit ihrer Familie aus Russland fliehen. Tjan berichtete von den fünf Familien im Dorf Kazas die sich geweigert hatten ihr Zuhause an die Kohlebetriebe zu verkaufen und deren Häuser bald darauf niedergebrannt wurden.

Die „Förderung“ der Kohle geschieht in Kuzbass durch Explosionen, die Luft enthält große Mengen Kohlestaub der sich auch auf dem Boden absetzt. Die Flüsse in der Region sind vergiftet, Fische können in ihnen nicht mehr leben, was auch die traditionelle Lebensweise der Schoren unmöglich macht. Der Naturschutz wird nicht eingehalten: Geschützte Baumarten werden von den Kohlebetrieben als nicht vorhanden bezeichnet, aber finden sich gefällt neben den Abbaugebieten.

RWE bezieht 40% der Steinkohle für seine Kraftwerke aus Russland, darunter auch von den Firmen die die Zerstörung in Kuzbass betreiben, die die Rechte indigener Gruppen verletzen. Das ist nicht hinnehmbar

„Die Zeit zu handeln ist jetzt!“

Es zeigt sich in all dem deutlich, dass RWE Profite vor das Allgemeinwohl stellt. Was dieser Text darstellt ist noch nicht mal die Spitze des Eisberges: Es fanden nur Ausschnitte des Tribunals Platz, stattliche Subventionierung und Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien haben bisher keine Erwähnung gefunden, die Klimakrise wurde nur beiläufig erwähn

Was jedoch klar wird, ist: Ein internationales Großunternehmen das zugunsten des Profits Menschen zwangsenteignen lässt (ironischerweise „im Sinne des Allgemeinwohls“), nicht die besten Filter verwendet (und somit den vorzeitigen Tod von Menschen in Kauf nimmt) und gar durch Kooperation mit menschenrechtsverachtenden Unternehmen die gewaltvolle Vertreibung und Bedrohung von Menschengruppen akzeptiert, darf nicht einfach so weitermachen.